Sind die Anpasssungen (2006) bei der EU-Zuckermarktordnung aus Sicht der verarbeitenden Lebensmittelwirtschaft als Erfolg zu werten?

Die Anpassungen bei der EU-Zuckermarktordnung im Jahr 2006 haben nicht dazu beitragen können, in Europa einen offenen Markt für Zucker zu schaffen, der über wettbewerbliche Strukturen Versorgungssicherheit herstellt. Noch immer ist der EU-Zuckermarkt ein politisch geregelter Markt. Der erste Reformschritt der Zuckermarktordnung 2006 hat zu deutlichen Fehlentwicklungen geführt, die dem Wunsch der Politik geschuldet sind, sowohl die Einkommen der EU-Zuckerindustrie als auch der Rübenbauern zu schützen. Die Absenkung der Mengen zur Eigenversorgung bei Zucker auf 85 Prozent des EU-Bedarfs und die Vorstellung, der Rest werde – quasi als Entwicklungshilfe – über Importe aus den AKP-Ländern und den ärmsten Ländern der Welt (LDC) abgedeckt, hat aktuell angesichts steigender Weltmarktpreise eine dramatische Unterversorgung in der EU zur Folge.

Die AKP und LDC-Länder verkaufen ihren Zucker seit Herbst 2010 kaum noch nach Europa. So ist es zu einem nicht akzeptablen Versorgungsengpass für zuckerverarbeitende Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkewirtschaft gekommen.

Die Zucker verarbeitende Industrie sieht sich mit einem Dilemma konfrontiert: In Zeiten, in denen die Weltmarktpreise niedrig sind, wird der Zugang zu preiswertem Weltmarktzucker über Zölle und Importquoten verteuert. In Zeiten steigender Weltmarktpreise für Zucker schottet der Außenschutz den EU-Binnenmarkt vom Rest der Welt ab. Dann ist Zucker knapp und bei gleichzeitigen Versorgungsengpässen steigen die Preise in der EU rapide an.

Die aus der Perspektive der Zuckerwirtschaft gedachte Konstellation eines Schutzes vor Wettbewerb im Binnenmarkt bei gleichzeitiger Möglichkeit, die Mechanismen eines wettbewerblichen Weltmarktes nutzen zu können, wirkt sich fatal auf nachgelagerte Wirtschaftsbereiche aus. In Verbindung mit den ohnehin äußerst angespannten Rohstoffmärkten entwickelt sich die Lage am Zuckermarkt zu einer für manche Firma existenzbedrohenden Situation mit Gefahr für deren Arbeitsplätze.